Virtuelle Realität auf der Mitgliederversammlung

Präsentation von VR-Technik (Foto: Heike Gerner)

Wer unvorbereitet in den Raum kam, mochte vielleicht denken, er sei unter Gamer geraten. Aber alle im Raum waren mit großem Ernst und gespannter Aufmerksamkeit dabei, als Martina Remagen, Dozentin der GFO Schule für Gesundheitsberufe Bergisches Land in Bensberg, die Ausstattung aus VR-Brille und Controllern vorstellte. Ungewohnt und aufregend für die Versammlungsteilnehmer war es danach, im Selbstversuch einen Ausflug in die Lobby der virtuellen Bildungsstätte zu unternehmen, wo einige Körpermodelle zu besichtigen waren.

"Wir versuchen immer, unsere Förderprojekte in der Mitgliederversammlung vorzustellen und unsere Arbeit dadurch greifbar zu machen" sagt der Vorstandsvorsitzende Dr. Thomas Wardin, "denn mit den Formalitäten, die auf einer Mitgliederversammlung natürlich auch erledigt werden müssen, lockt man niemanden in die Versammlung."

Über die Frage, ob virtuelle Technik für die Pflegeausbildung und darüber hinaus sinnvoll einzusetzen ist, wird seit längerer Zeit diskutiert. Am häufigsten wird der Vorteil realistischer Simulationen genannt, weil VR es den Lernenden ermöglicht, in Szenarien lebensecht zu agieren, die in der Praxis schwer zu erzeugen sind. Notfallsituationen gehören ebenso dazu wie Routinearbeiten, die zur besseren Übung und Festigung wiederholt werden sollen. Auch der Umgang mitschwierigen Patienten wird genannt, weil verschiedene Formen der Interaktion ausprobiert werden können. Lernende können dabei Fehler machen und daraus lernen, ohne dass dies negative Konsequenzen für echte Patienten hat. Dies fördert gleichzeitig Kompetenz und Selbstvertrauen der angehenden Pflegekräfte. Nicht das unwichtigste Argument: VR bietet interaktive und ansprechende Lernmethoden, die das Engagement der Auszubildenden steigern können – erste Einsätze mit Schülerinnen und Schülern bestätigen genau diese Wirkung.

VR-Training kann grundsätzlich jederzeit und überall durchgeführt werden, was die Zugänglichkeit und Flexibilität der Ausbildung erhöhen kann. Von dieser Möglichkeit wird in Bensberg zunächst kein Gebrauch gemacht, um sowohl die Durchführung besser steuern zu können als auch die dabei gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar in die weitere Nutzung und Weiterentwicklung einfließen lassen zu können. Denn das ist der Clou der Pilotnutzung in Bensberg für alle Schulen der GFO: Lerneffekte werden nicht nur bei den Auszubildenden angestrebt, sondern auch bei den Lehrkräften und der gesamten Organisation. Über die Optimierung der vom Anbieter bereitgestellten Szenarien hinaus ist vorgesehen, auch eigene Lernfelder zu modellieren und in der virtuellen Realität abzubilden.

Im Unterrichtsbetrieb werden dabei jeweils vier Phasen durchlaufen:

  1. Einführung - die Lernenden werden mit der Aufgabenstellung und dem generellen Lösungsansatz vertraut gemacht.
  2. Trockentraining - der vorgestellte theoretische Weg wird unter Anleitung ausprobiert.
  3. Simulation - Teilnehmer führen die Aufgabe, beispielsweise eine Reanimation, eigenständig durch. Diejenigen Schülerinnen und Schüler, die nicht mit VR-Brille und -Controllern arbeiten, verfolgen auf Großbildschirmen, was der aktive Teilnehmer sieht.
  4. Nachbereitung - Durch Feedback von Lehrkräften und aus der Gruppe erhalten die Teilnehmer Hinweise für die weiteren Übungsschritte.

Rückmeldungen aus ersten praktischen Einsätzen sind durchweg positiv.

Aber auch Argumente gegen den Einsatz von VR-Brillen sollen hier nicht verschwiegen werden: Zunächst sind die Kosten zu nennen. Anschaffung und Wartung der VR-Technologie haben selbst in dieser ersten, kleinen Ausbaustufe mehr als 5.000 Euro gekostet. Für Bildungseinrichtungen, die nicht die Unterstützung eines Fördervereins in Anspruch nehmen können, dürfte das eine erhebliche Hürde darstellen. Probleme mit der Technologie, seien es Softwarefehler oder Hardwareausfälle, können den Lernprozess nachhaltig stören, wenn nicht der hauseigene oder der Anbietersupport sehr schnell Abhilfe schaffen. Dazu kommt, dass nicht alle Auszubildenden oder Lehrkräfte mit der Technologie vertraut sind und ihr positiv gegenüberstehen, was die Implementierung erschweren kann.

VR wird den direkten Kontakt zu echten Patienten und die zwischenmenschliche Kommunikation, die in der Pflege so wichtig sind, nicht ersetzen. Nonverbale Kommunikation oder emotionale Intelligenz lassen sich zumindest heute noch nicht adäquat in einer virtuellen Umgebung vermitteln.

Trotzdem ist die Schule in Bensberg überzeugt, bereits über die Pilotierung von VR-Technik in der Ausbildung die Attraktivität als Ausbildungsstätte und späterer Arbeitgeber einmal mehr unter Beweis zu stellen.

Geschrieben von webmaster am